23.10.2024

„Nicht jeder Wandel ist gut“

Die demokratische Wahlstrategin Celinda Lake über umkämpfte Wählergruppen, starke Botschaften und Differenzen im Wahlverhalten von Männern und Frauen.

Im Endspurt der Präsidentschaftswahl liegen Kamala Harris und Donald Trump in den Umfragen eng beieinander. Was wird das Rennen entscheiden?

Bei diesen Wahlen geht es um das wirtschaftliche Wohlergehen, bürgerliche Freiheiten und das Sicherheitsgefühl der US-Bevölkerung. Die Wählerschaft macht Harris zwar nicht für Bidens unbeliebte wirtschaftliche Agenda verantwortlich, aber Umfragen zeigen, dass sie mit dem Narrativ zu kämpfen hat, eine Sozialistin zu sein, weil sie nicht so bekannt ist. Trump dagegen steht bei vielen unentschlossenen Wählerinnen und Wählern für einen „Wandel“. Wir müssen die Wählerschaft daran erinnern, wie chaotisch, instabil und gefährlich Trump wäre. Die Demokraten müssen gleichzeitig in den Vordergrund rücken, was Harris als erfahrene Vize-Präsidentin erreicht hat und nicht so sehr ihre Karriere als Staatsanwältin akzentuieren. Zudem müssen sie deutlicher betonen, dass nicht jeder Wandel gut ist, vor allem nicht, wenn Trump den Ton angibt.

Welche Botschaften kommen bei unentschlossenen Wählerinnen und Wählern am besten an?

Bei diesen Wahlen sind natürlich Immigration und Abtreibung sehr wichtige Themen. In allen besonders umkämpften Bundesstaaten, den sogenannten Swing States, ist Abtreibung ein mobilisierendes Thema. In den letzten Wochen vor der Wahl müssen jedoch insbesondere unentschlossene Arbeiterinnen und Arbeiter mit Botschaften über die Wirtschaft und das wirtschaftliche Wohlergehen ihrer Familien überzeugt werden.

Stehen hier bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders im Fokus?

Die Wirtschaft ist als Thema natürlich für jeden von Interesse, aber es ist besonders wichtig, zwei Bevölkerungsgruppen für sich zu gewinnen, bei denen Harris im bisherigen Wahlkampf noch nicht punkten konnte: junge weiße Männer und Immigranten aus Lateinamerika.

Was kennzeichnet diese beiden Gruppen besonders?

Bei jungen weißen Männern herrschen eine gewisse politische Verbitterung und das Gefühl, vom System zurückgelassen worden zu sein. Für Frauen mit lateinamerikanischem Hintergrund sind wiederum Botschaften im Zusammenhang mit der sogenannten Care-Ökonomie, also Sorge- und Pflegearbeit, von großer Bedeutung. Unseren Daten zufolge beginnen diese Frauen oft schon im Alter von 28 Jahren mit Pflegearbeiten – unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht, also viel früher, als man erwarten würde. Wahlkampfaussagen, die sich auf das Wohlergehen ihrer Familien konzentrieren, sind für diese Wählerinnen daher besonders wichtig. Die Männer mit lateinamerikanischem Hintergrund wollen dagegen von gutbezahlten Arbeitsstellen hören, mit denen man eine Familie ernähren kann, sowie von Chancen für kleine Geschäfte und Unternehmen. Als schwarze Frau, die für die Präsidentschaft kandidiert, steht Harris bei vielen männlichen Wählern mit lateinamerikanischem Hintergrund nicht so hoch im Kurs. Und es besteht die Gefahr, dass deren Frauen genauso wählen wie ihre Männer.

Was ist mit der Arbeiterschicht?

Sowohl Harris als auch Trump führen in den wichtigsten umkämpften Bundesstaaten einen sehr engagierten Wahlkampf. In vielen dieser Swing States befinden sich große US-Industrien, und dementsprechend leben dort Millionen von Arbeiterfamilien. Mit populistischen Wirtschaftsbotschaften wären die Wählerinnen und Wähler aus der Arbeiterschicht am effektivsten zu überzeugen. Die Arbeiterschicht ist kein einheitlicher Block. Frauen aus der Arbeiterschicht wählen eher die Demokraten als Männer aus dieser Schicht. Bei den Frauen müssen wir jedoch noch weiter Überzeugungsarbeit leisten, um zu verhindern, dass sie einfach so wählen wie ihre Männer, weil sie diese für besser informiert halten.

Haben sich die Botschaften in diesem Wahlkampf geändert?

Ja, auf jeden Fall. Vize-Präsidentin Harris hat in letzter Zeit bei vielen Gelegenheiten ihre starke Unterstützung für den Kapitalismus betont, um die Narrative, sie sei eine Sozialistin, aus der Welt zu schaffen. Zudem hat sie auch lautstark zum Ausdruck gebracht, dass sie und Walz, ihr Kandidat für die Vizepräsidentschaft, selbst Waffenbesitzer seien.

Und wir haben noch etwas beobachtet: Während es bei Männern effektiv ist, individuelle Aspekte zu betonen, neigen Frauen eher dazu, für ihre Familien zu wählen. Wahlversprechen, welche die Zukunft ihrer Familien und vor allem ihrer Kinder adressieren, spielen hier wirklich eine große Rolle.

Und bei Trump?

Trump hatte bisher vor allem auf die Männer aus der Arbeiterschicht abgezielt, jetzt versucht er auch, ältere Frauen aus dieser Schicht zu erreichen, und zwar mit den Themen Immigration, Kriminalität sowie der Gesundheitsfürsorge für Transgender-Personen in Gefängnissen. Damit will er die Ängste und Emotionen von Wählerinnen ansprechen, die zwar seinen Charakter und Stil nicht mögen, aber seine Stärke.

Aus dem Englischen von Ina Goertz

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