Klimaschutz, Technologie, Innovation und China in Kalifornien
Eine Woche der Osterpause 2023 bereiste ich, gemeinsam mit meinen Kollegen Dr. Lina Seitzl und Matthias Mieves, Kalifornien. Die Friedrich Ebert Stiftung - Washington DC, hatte uns zu politischen Gesprächen eingeladen. Es ging um Klimaschutz, Innovation und die wirtschaftspolitischen Beziehungen Kaliforniens. Was die Meisten nicht wissen: Kalifornien wäre die fünft größte Volkswirtschaft der Welt, wäre es ein eigenes Land. Die intellektuelle, wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit vom Rest der USA war überall spürbar.
China und internationale Beziehungen
Als am Pazifik gelegene Region ist die Beziehung zu Asien sehr wichtig und spürbar. Aus Gesprächen mit politischen Beratern und den zuständigen Abteilungsleitern für internationale Beziehungen in den Rathäusern in San Francisco und Los Angeles war herauszuhören, dass vor Ort die Anti-China Politik der US-Bundesregierung durchaus kritisch gesehen wird. Die Verbindungen zwischen Kalifornien und China sind tief und historisch gewachsen. Auch wenn durchaus mit Sorge die Entwicklung Chinas unter Xi Jinping beobachtet wird, zielen die Abschottungsmaßnahmen der USA, aus Sicht mancher Gesprächspartner, über das Ziel hinaus. So vertrat Michael McFaul, ehemaliger außenpolitischer Berater und US-Botschafter von Präsident Obama in Moskau, jetzt Stanford Professor für internationale Beziehung, die Ansicht, dass es keine Belege für eine imperialistische Haltung Chinas gäbe und folgerichtig die sehr konfrontative Haltung der aktuellen US-Administration überzogen sei. Auch sah er die Chance, dass China ein Friedensabkommen zwischen der Ukraine und Russland vermitteln könnte als nicht völlig abwegig an. Zusammengefasst plädierten zahlreiche Gesprächspartner für eine nuanciertere Debatte, die Pflege persönlicher Verbindungen zu China sowie generell für mehr Freihandel. Hier gibt es also gemeinsame Interessen zwischen Kalifornien und Europa: keine Eskalation mit China und mehr Freihandel. Meiner Meinung nach sollten europäische und deutsche Politiker in diese Beziehung investieren und die Rathäuser und Abgeordnetenbüros besuchen und nicht nur zum Silicon Valley Tourismus nach Kalifornien reisen.
Innovationen
In Kalifornien gibt es eine echte Start-up Kultur. Als attraktiver Standort - landschaftlich, klimatisch und kulturell - zieht die Region Millionen kluger Köpfe an. Hier fließen viele Millionen Dollar privates aber auch staatliches Kapital in innovative Projekte. Neben einen Biodesign Labor in Stanford haben wir auch das Wende Museum besucht. Ein Museum und Community Center mit eigenem Archiv über sozialistische Staaten. Man hat das Gefühl, in Kalifornien arbeitet einfach jeder an eigenen Projekten. Anders als größtenteils bei uns in Deutschland wird jedoch dort kein klares Konzept gefordert, um sein Projekt starten zu können. Spannend fand ich auch, dass in Kalifornien gefühlt kaum Berührungsängste zwischen den Sphären von Politik, Wirtschaft, Forschung, NGOs und Kultur vorherrschen. All das trägt stark zum Innovationspotenzial bei und ist sehr anders als man es aus Deutschland kennt, wo enge Kooperation zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik immer kritisch beäugt werden. Ein Besuch an der Stanford University hat dies sehr deutlich illustriert. Hier werden neue Forschungsergebnisse sofort patentiert oder großen Unternehmen zur Weiterverwendung angeboten.
Auch viele deutsche Unternehmen haben Forschungslabore oder Innovationsbüros in Kalifornien. Wir haben beispielsweise BASF in San Diego besucht, wo an Enzymen geforscht wird. Die Kehrseite der starken Vernetzung und Kooperationsbereitschaft ist für mich, dass Forschung und Entwicklung sehr stark an der Vermarktbarkeit orientiert sind. Gleichzeitig ist im im konkreten Alltag nicht so viel von der Innovation für die Breite der Bevölkerung spürbar. Tatsächlich sieht man in San Francisco bereits autonome Autos auf der Straße fahren, aber auf der anderen Seite gibt es kein wirklich gutes öffentliches Nahverkehrssystem.
Wie eine Region wirtschaftlich erfolgreich und innovativ sein kann und dabei gleichzeitig für die Bevölkerung noch bezahlbar bleibt ist eine Frage, für die es in Kalifornien keine Antwort zu geben scheint. Was ich mitnehme ist aber, dass wir möglichst viel von diesem Spirit des Ausprobierens und der sektorübergreifenden Zusammenarbeit mitnehmen sollten. Allerdings ohne dabei die eigene Stärke unserer Forschungslandschaft in Form von Grundlagenforschung und nicht-kommerzieller Forschung zu schwächen. Denn auch Innovationen, die sich nicht primär vermarktbar sind, sind wertvoll und wichtig.
Klimaschutz und Energie
Kalifornien ist politisch sicherlich einer der „ökologischsten“ US-Bundestaaten. Die zuständige Bürgermeisterin für Klimaschutz in Los Angeles berichtete von ähnlich ambitionierten Klimazielen wie den unseren. So ist bereits jetzt schon in Los Angeles beschlossen und umgesetzt, was bei uns nach wie vor für emotionale Diskussionen sorgt: ein Verbot zum Einbau von Gasheizungen bei Neubauten. Hier wird für die Dekarbonisierung vor allem auf den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt. Kalifornien beginnt jetzt mit dem Bau von Offshore Windkraftanlagen aber auch in die Kernenergie wird weiter investiert. Für mich besonders faszinierend war der Besuch eines Forschungsreaktors für Kernfusion in San Diego. Ernüchternd war allerdings die Erkenntnis, dass noch lange geforscht werden muss, bis es möglich sein wird Energie aus Kernfusion zu gewinnen.
Auf dem Mobilitätssektor wird in Kalifornien durch Subventionen der Umstieg auf E-Mobilität in allen Bereichen gefördert. Generell wird hier fast ausschließlich mit Anreizen und Subventionen gearbeitet. Es gibt keine Co2 Besteuerung oder Konsumeinschränkungen. Auch der politische Druck zur Verhaltensänderung (z.B. Recycling), sowohl der Unternehmen als auch der Bevölkerung, kann als dezent beschrieben werden. Im Land der Freiheit keine Überraschung. Ob die Klimaziele allein durch Innovation und Anreize erreichbar sind, wird interessant zu beobachten sein, zumal die kalifornische Volkwirtschaft vergleichbar groß ist wie unsere. Mich persönlich überrascht, dass in Kalifornien der Umbau der Infrastruktur so wenig im Fokus steht, liegt doch das Potential von Zugverkehr und ÖPNV in dem durchaus dicht besiedelten Land auf der Hand. Ich denke, es wäre auch der Lebensqualität der 40 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern Kaliforniens sehr zuträglich, wenn sie nicht täglich stundenlang im Stau auf 12-spurigen Autobahnen zu stehen müssten. Auch wegen der abschreckenden Verkehrssituation ist seit CoVid Homeoffice sehr verbreitet, worunter die Innenstädte in den urbanen Zentren stark leiden. Auch hier Sie müssen sie sich, ähnlich wie in Deutschland, neu erfinden. Wir sprechen schließlich davon, dass in Kalifornien 60% der Menschen nicht mehr täglich ins Büro kommen und in den Innenstädten einkaufen.
Alles in allem war es war eine tolle, lehrreiche Reise. Vielen Dank an die Friedrich-Ebert-Stiftung in Nordamerika, dass sie es möglich gemacht hat und für eine exzellente Organisation. Ich nehme sehr viele Anregungen für Berlin und Mannheim sowie spannende Kontakte für die Zukunft mit.
Friedrich-Ebert-Stiftung
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