24.11.2020

Was Trump noch kann // Was Biden macht

Knuts Logbuch

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Am Donnerstag feiert Amerika sein traditionelles Thanksgiving, das Fest der Versöhnung, das Fest, das die Weihnachtssaison einläutet. Oder besser, viele Amerikaner_innen würden es gerne feiern - ganz festlich in ihrer Familie. 

Das ist aber alles abgesagt. Mittlerweile sind auch manche der Republikanischen Gouverneure eingeknickt, die sich vor der Wahl knallhart gegen Anti-COVID Maßnahmen gestemmt hatten. Sie verordnen Maskenpflicht in ihren Bundesstaaten, so z.B. 

  • Iowa und Ohio, wo es in den letzten Tagen zwischen 6000 und 9000 neue Erkrankungsfälle gab. 
  • In den Dakotas und Wyoming liegt die Anzahl der täglichen neuen Fälle pro 100.000 Einwohner zw. 130 und 170 Personen. Und die traurige Marke von einer viertel Million Todesfällen haben die USA vor ein paar Tagen überschritten. 

Trump spielt derweil Golf, feuert Minister und hohe Beamte und sinniert über einen Bombenangriff auf den Iran. 

Joe Biden hat seine Siegesfeier auf einen Abend beschränkt und sich schon am nächsten Tag mit den auf ihn zukommenden Problemen beschäftigt.

 

Was Trump Noch offen steht

Es ist schon ein eigenartiges Trauerspiel, das wir hier erleben. Zwar lässt der Amtsinhaber inzwischen die Vorbereitung der Amtsübergabe an Joe Biden zu, gleichzeitig untergräbt er aber noch immer die Legitimität Joe Bidens und der zukünftigen Regierung. Dabei findet er - und das wissen wir seit vier Jahren - immer wieder skrupellose Helfer und Helferinnen. 

Die mittlerweile mehr als 20 Klagen in verschiedenen Bundesstaaten wurden entweder zurückgezogen oder abgeschmettert. Das hält die Trump Kampagne aber nicht davon ab, immer weitere und verworrenere Klagen einzubringen. 

Ansonsten ist es um Trump eher ruhig geworden. Er twittert viel. Vor allem nachts. Trump verzichtet seit Wochen auf sein tägliches Sicherheits-Briefing und hat seit sechs Monaten an keinem einzigen Corona-Task-Force Treffen mehr teilgenommen—ihr erinnert Euch, die Treffen hatte er im Frühjahr noch medienwirksam für tägliche Auftritte genutzt.  

Ansonsten geht er golfen. Alles wirkt, als ob er überhaupt kein Interesse am Regieren hat. G20? Kein Interesse! Aber warum tut er sich dann jetzt noch die vielen Klagen an, warum feuert er jetzt noch seine eigenen Beamten?

Noch 57 Tage bleiben bis zur Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar 2021 und was Trump bis dahin noch bewirken kann, ist durchaus beunruhigend. Er könnte tatsächlich noch einen Krieg anfangen (der Senat müsste dem Krieg lediglich 60 Tage später zustimmen oder ihn beenden, so ist es Gesetz), er könnte Unterlagen vernichten und er könnte unzählige Begnadigungen aussprechen.

Nach vier Jahren Trump-Show bereitet Trump die nächste Staffel vor, um nach dem 20. Januar noch eine Rolle zu spielen.

 

Was seit der Wahl noch unklar ist

Im Prinzip ist gar nichts unklar. und die Fakten sind eindeutig: Joe Biden hat die Wahl mit 306 der nötigen 270 Wahlfrauen- und Wahlmännerstimmen mehr als deutlich gewonnen. 

Auch die allgemeinen Stimmen —die so genannte popular vote— hat Joe Biden mit fast 80 Millionen Stimmen gewonnen. Trump liegt hier sechs Millionen Stimmen dahinter. Um das Wahlkollegium auf seine Seite zu bekommen, müsste er mit seinen Klagen und Gerichtsverfahren mindestens drei Bundesstaaten kippen, um die 38 Wahlkolleg-Stimmen zu bekommen, die ihm fehlen, um die 270 zu erreichen. Da es auf juristischem Wege kaum noch Chancen für ihn gibt, versucht der Präsident gerade Druck auf die Personen zu nehmen, die das Endergebnis in Bundesstaaten zertifizieren müssen – ein einmaliger Vorgang, den Wählerwillen durch politische Einflussnahme in den USA umkehren zu wollen.

Am Freitag endete die wiederholte Auszählung in Georgia und bestätigte Joe Bidens Sieg. Somit steht fest, Donald Trump konnte einige Staaten nicht halten, gewann aber auch keinen neuen dazu. Joe Biden konnte dagegen nicht nur Michigan, Wisconsin und Pennsylvania für die Demokraten zurückerobern, er konnte zudem auch zwei traditionell Republikanisch wählende Bundesstaaten gewinnen — nämlich Georgia und Arizona.

Im Kongress gibt es noch einige offene Sitze. Das House of Representatives haben die Demokraten mit 222 Stimmen bereits gewonnen. Hier mussten sie Verluste einstecken, konnten die Mehrheit aber halten. Acht Sitze sind noch offen, weil es noch Stichwahlen geben wird.

Auch im Senat sind noch zwei Sitze offen, beide in Georgia und beide gehen in die Stichwahl am 5. Januar. Derzeit sind von den 100 Senatssitzen 50 für die Republikaner und 48 für die Demokraten ausgezählt. Die Demokraten müssten beide Sitze im Januar gewinnen, um einen Gleichstand zu erreichen. Dann würde die Senatspräsidentin, gleichzeitig Vizepräsidentin Kamala Harris, die ausschlaggebende Stimme haben.  

Die Wahl wird wahrscheinlich sehr knapp ausfallen, weshalb die beiden Lager derzeit unfassbare 100 Millionen US-Dollar in diese zwei Wahlkämpfe in Georgia pumpen. 

 

Die Agenda von Joe Biden - Geht da was?

Auch wenn die Trump-Regierung alles daransetzt, den gewählten Präsidenten daran zu hindern, Zugang zu wichtigen Übergangsinstitutionen, Räumlichkeiten und Informationen zu bekommen, ist Joe Biden täglich dabei, sich mit Experten zu Gesundheit, Wirtschaft und Sicherheit zu treffen. 

Er besetzt jetzt schon wichtige Positionen im Weißen Haus. Zum Beispiel soll Antony Blinken das Außenministerium übernehmen. Blinken war stellvertretender Außenminister in der Obama/Biden Regierung. Das ist ein starkes Signal für den Wiederaufbau von Amerikas Bündnissen. 

Linda Thomas-Greenfield soll als US-Botschafterin an die Vereinten Nationen gehen. Sie ist eine sehr erfahrene Diplomatin – zuletzt als Staatsministerin im Außenministerium, die hier das von Trump verspielte Vertrauen wiederherstellen kann. Zudem erfüllt Biden auch sein Versprechen, in seinem Kabinett die Vielfalt der USA darzustellen. 

Eine hauchdünne Chance bleibt, dass die Demokraten Anfang Januar nach den zwei Stichwahlen in Georgia eine Senatsmehrheit davontragen. Dann hätte Biden die Trifecta (die Präsidentschaft, den Senat und das Repräsentantenhaus) und somit freie Hand zur Umsetzung seiner großen Pläne, die ich in einem früheren Logbuch auch schon vorgestellt habe.  

Aber was kann er machen, sollte der Senat in Republikanischer Hand bleiben? Es gibt tatsächlich einige wirklich wichtige Dinge, die er aus dem Weißen Haus und mit exekutiver Macht umsetzen könnte. Ein paar Beispiele will ich Euch nennen: 

Kampf gegen den Klimawandel

Seinen 2 Billionen Dollar “Saubere Energie” Plan wird Biden wohl ad acta legen müssen, denn ohne Demokratische Mehrheit im Senat, wird es eine Idee bleiben. Dennoch, Joe Biden kann trotzdem eine Menge tun, um den Klimawandel einzudämmen. Zunächst wird er wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten. Außerdem kann er die Maßnahmen der Obama-Regierung, die Trump gekürzt oder blockiert hat, wieder aufleben lassen. Das sind immerhin 125 Umweltvorschriften, u.a. zu Treibhausgasen und Normen zum Kraftstoffverbrauch. 

Erlass von Bildungsschulden

Senatorinnen, wie z.B. Elizabeth Warren (D-MA), haben die Biden-Regierung bereits aufgefordert, die Exekutivgewalt zu nutzen, um die ersten 50.000 US-Dollar an Schulden zu erlassen, denn mehr als 92 Prozent der Bildungsschulden von Studierenden befinden sich im Besitz der Bundesregierung. Hier könnte Biden etwas bewegen. 

Einwanderungszahlen wieder ausweiten

Trump hat die Flüchtlingshöchstgrenze für 2021 auf nur 15.000 Personen festgesetzt, weit weniger als Obamas Obergrenze von 110.000 Personen. Joe Biden hat bereits versprochen, die Höchstgrenze auf 125.000 Flüchtlinge zu erhöhen und sie von da an sogar aufzustocken.

Gründung einer Postbank

Es gibt seit Jahren viele Fürsprecher für eine Postbank für Privatkunden. Dem stehen auch die Gewerkschaften positiv gegenüber. Millionen von Amerikaner_innen können aus Zugangs- oder Kostengründen keine Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen. Eine staatliche Postbank könnte hier kostenlose oder kostengünstige Leistungen erbringen. 

Wall Street

Biden könnte die Finanzindustrie konsequenter regulieren und den Verbraucherschutz stärken. Bereits bestehende Regulierungsgesetze werden nicht zu 100% umgesetzt, hier gibt es für Biden Spielraum. 

Erweiterung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung

Biden kann umgehend die Bemühungen der Trump-Administration stoppen, Obamacare zu untergraben. Auch hier hat er relativ großen Spielraum, auch ohne den Senat. 

 

Das und noch mehr kann Joe Biden ohne den Kongress bewältigen oder anschieben. Darüber hinaus kann er vor allem eines: endlich die völlig überhitzten Gemüter hier in den USA beruhigen und zu guter Regierungsarbeit zurückkehren. Er wird aber auch auf die Partner der USA — besonders Deutschland und Europa — zugehen. Hier sind wir im Gegenzug mit Initiativen und Angeboten der Kooperation gefragt. 

Friedrich-Ebert-Stiftung
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