07.02.2023

South Carolina on my mind: Demokraten beschließen neuen Vorwahlkalender

 

In den letzten fünfzig Jahren fanden die ersten Vorwahlen der US-Demokraten stets in den Bundesstaaten Iowa und New Hampshire statt. Das ändert sich jetzt.

Am Wochenende beschloss das Democratic National Committee (DNC) offiziell, die zeitliche Reihenfolge der parteiinternen Vorwahlen umzustellen. Bisher begann der Zyklus immer bei den vergleichsweise kleinen, vorrangig ländlichen und demografisch mehrheitlich weißen Staaten Iowa und New Hampshire. Mit der Änderung wird die Art und Weise, wie die Demokratische Partei ihre Präsidentschaftskandidat:innen auswählt, radikal umgestaltet. Laut Eigenaussagen des DNC werden ethnisch vielfältigere Staaten an die Spitze der Liste gesetzt. Nach dem neuen Kalender beginnen die Vorwahlen der Demokraten für die Präsidentschaftswahlen 2024 am 3. Februar nun also in South Carolina. Auf diese Vorwahl folgen Nevada und New Hampshire am 6. Februar, Georgia am 13. Februar und Michigan am 27. Februar. Der Vorschlag für diese traditionsbrechende Veränderung kam von niemanden geringerem als Präsident Joe Biden und seinem Team. Aber weshalb ist die Reihenfolge der Staaten im Rahmen der Vorwahlen relevant  und warum wurde ausgerechnet South Carolina auf Platz 1 gesetzt? Dazu lohnt ein Blick auf die Geschichte und den bisherigen Ablauf der Vorwahlen für die US-Präsidentschaftswahl.

 

How did we get here?

New York Times Politik-Korrespondent Adam Nagourney kommentierte das im NYT Podcast ,,The Daily” so: “Like many things in politics, this was a solution to a previous problem”. Iowas Vorreiterplatz im Vorwahlkalender der US-Demokraten kann als Ergebnis einer Art Kettenreaktion gesehen werden: 1968 wählte das Demokratische Parteikomittee Hubert Humphrey als Präsidentschaftskandidaten. Im Gegensatz zur heutigen Zeit fand dieser „Nominierungsprozess“ noch hinter verschlossenen Türen statt. Den Wähler:innen, die zum Großteil einen Kandidaten bevorzugten, der den Vietnam Krieg beenden würde, konnten hier noch nicht mitwirken. Die erwähnte Entscheidung des DNC-Establishments rächte sich: Humbert Humphrey verlor die Präsidentschaftswahl gegen Richard Nixon. Der darauffolgende, intensive Rückschlag innerhalb der Demokratischen Partei ebnete den Weg zu einem neuen Nominierungsprozess, der von einer Kommission ausgearbeitet wurde. Nun stellt sich aber nach wie vor die Frage:

 

Weshalb Iowa?

Anders als vielleicht angenommen, fiel die Wahl auf Iowa nicht etwa aus taktischen Gründen – sondern aus logistischen. Iowa hält nämlich, im Gegensatz zu vielen anderen Staaten, keine sogenannte „Primary“ für den demokratischen Kandidatennominierungsprozess ab, sondern einen ,,Caucus“. Diese oft als veraltet bezeichnete Art des Vorwahlprozesses beinhaltet keine Wahllokale und Wahlzettel, wie man sie von regulären ,,Primaries“ kennt. Nein, hier kommen Wähler:innen in Kirchen, Schulen und Sporthallen zusammen, stellen sich in Gruppen entsprechend dem/der bevorzugten Kandidat:in auf und argumentieren, wieso sie sich für diese Person entscheiden. Jede/r Kandidat:in muss ein gewisses Mindestmaß an Unterstützer:innen erreichen, sonst müssen sich diese nach Ausscheiden ihres/ihrer Kandidat:in neu verteilen. Aufgrund dieses langwierigen und zeitaufwendigen Prozesses fand sich Iowa traditionell an erster Stelle des Vorwahlkalenders.

Im Laufe der Jahrzehnte profilierte sich Iowa somit zu einer Art ,,Battleground“ für demokratische Präsidentschaftskandidat:innen. Aufgrund des Kleinstadt-Feelings, das der Iowa Nominierungsprozess vermittelte, hatten Außenseiter-Kandidierende eine echte Chance: Sie konnten sich den ersten Nominierungssieg durch aktiven, persönlichen Wahlkampf sichern, statt immense Summen aufbringen zu müssen. Die größten Erfolgsgeschichten, die im Staat geschrieben wurden, kamen u.a. von Jimmy Carter und Barack Obama. Sie gewannen ihren jeweiligen Iowa Caucus unerwarteterweise mit genau dieser Strategie und erhielten dadurch den nötigen Schwung für ihre jungen Kampagnen. Im Laufe der letzten Jahre taten sich jedoch Risse in Iowas Sonderstellung auf: Von Wahl zu Wahl wandelte sich der früher als politisch umkämpft geltende Staat zu einem eher republikanische geprägten.

Im Jahr 2020 verpasste sich Iowa dann quasi selbst den letzten Stoß: Der Versuch, den Iowa Caucus mit Hilfe einer Wahlapp moderner erscheinen zu lassen, ging nach hinten los. Das System brach zusammen und bestätigte Ergebnisse konnten erst ganze 3 Wochen nach dem eigentlichen Caucus verkündet werden. Dies verfestigte die Meinung vieler Demokrat:innen, die schon lange argumentierten, dass Iowa den Platz an erster Stelle nicht länger ,,verdiene“ und ohnehin nicht als repräsentativ für den Großteil der Partei gesehen werden könnte.

Somit gelangen wir zum jetzigen Moment: Der diesjährigen Zusammenkunft des DNC in Philadelphia, auf der nun offiziell South Carolina als erster Staat im demokratischen Vorwahlkalender festgelegt wurde. Hier stellt sich eine neue Frage:

 

Weshalb gerade South Carolina?

Berichten zufolge kam der Vorschlag direkt von Joe Biden und seinem Team. Das Hauptargument hier war, dass South Carolina aufgrund seiner Demographie (ca. 65% Weiß, ca. 27% Afroamerikanisch) deutlich repräsentativer, sowohl in Bezug auf die Wählerschaft der Demokratischen Partei, als auch in Bezug auf die generelle US-Bevölkerung sei. Es gibt einen weiteren, praktischen Grund: South Carolina hält eine ,,normale“ Primary, keinen langwierigen Caucus wie Iowa ab. Hier gehen Wähler:innen, die sich als Demokraten registriert haben, am Stichtag in Wahllokale und machen ein unkompliziertes Kreuzchen, für den/die bevorzugte Kandidat:in. Dies bringt vergleichsweise schnelle und zuverlässige Ergebnisse. Zudem scheint Biden hier auch eine persönliche Vorliebe zu haben. South Carolina rettete BidensKandidatur in den Vorwahlen 2020. Sein Abschneiden Performance in Staaten wie Iowa war schwach, aber South Carolina und deren Wählerschaft entschieden sich eindeutig für Biden in den Vorwahlen. Dies verschaffte ihm den Schwung, den er unbedingt brauchte, verhalf ihm zur Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten und brachte ihn schließlich ins Weiße Haus.

Ein Aspekt, der von Biden und seinem Team nicht direkt angesprochen, aber von einigen politischen Kommentator:innen angemerkt wurde: South Carolina ist ein Staat, der aufgrund seiner vergleichsweise großen Einwohnerzahl (5,2 Millionen, im Vergleich zu Iowas 3 Millionen) Kandidat:innen den Vorteil gibt, die einen großen Wiedererkennungswert haben. Das bevorzugt diese gegenüber den weniger bekannten Underdogs, die stattdessen von Gemeinde zu Gemeinde ziehen, um dann in der lokalen Sporthalle als Sieger gekürt zu werden. Und kein/e Kandidat:in hat wohl einen größeren Wiedererkennungswert als der aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten.

Und was sagen Iowa und New Hampshire zum Verlust ihrer Pole Position? Die Abgeordneten aus Iowa und New Hampshire waren die einzigen, die bei der Wahl über den neuen Nominierungsplan während des DNC Meetings mit „Nein“ stimmten. Scott Brennan, der die Demokraten in Iowa vertritt, sagte, der Ausschluss Iowas aus den frühen Vorwahlen sei ein gefährliches Signal für eine Partei, die ihre Unterstützung in traditionell Republikanisch zuneigenden Wählerschaften ausbauen wolle. "Kleine ländliche Staaten wie Iowa müssen bei der Nominierung der Präsidentschaftskandidaten eine Stimme haben", sagte er. New Hampshires Vertretung beim DNC, Joanne Dowdell, lobte Bidens "sehr mutige Aussage über seine Vision für das Land". Sie wies jedoch darauf hin, dass der Staat New Hampshire laut Gesetz verpflichtet ist, seine Vorwahlen vor allen anderen Staaten abzuhalten und plant sich dieses Recht vorzubehalten.

Die Demokraten in New Hampshire könnten zwar weiterhin versuchen, ihre Vorwahlen zuerst abzuhalten, aber das nationale Parteikomitee könnte sie möglicherweise bestrafen, indem es dem Staat die Delegierten für den Parteitag der Demokraten entzieht. Für Spannung ist also weiterhin gesorgt.

Der Zeitplan der Demokraten hat übrigens keine Auswirkungen auf die Nominierungswettbewerbe der Republikaner. Das Nationale Komitee der Republikaner (RNC) stimmte im April 2022 dafür, den Zeitplan unverändert zu lassen, d. h. Iowa, New Hampshire, South Carolina und Nevada kommen bei ihnen zuerst dran.

Die Entscheidung, die Demokratischen Vorwahlen nach South Carolina zu verlegen, ist begründet in einer Kombination aus Pragmatismus und dem Verständnis für den demografischen Wandel in der Partei. Gerade weil Joe Biden offiziell noch keine Kandidatur für 2024 bekanntgegeben hat, ist in der Entscheidung jedoch auch ein klarer taktischer Spielzug für die Zukunft zu sehen.

 

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