28.08.2012

Vor einem stürmischen Parteitag: Die Ausgangslage der Republikaner in den US-Präsidentschaftswahlen

Der für den 27. August geplante Auftakt des republikanischen Parteitags in Tampa, Florida, ist wegen des tropischen Sturms “Isaac” um einen Tag verschoben worden. Ein Kolumnist der Washington Post fragte in der Woche zuvor ironisch, ob die Republikaner dies nicht als göttlichen Fingerzeig werten sollten, nachdem sie in der Vergangenheit Katastrophen wiederholt als Strafe Gottes für diverse Fehlschläge der amerikanischen Gesellschaft interpretiert haben.

Anlässlich der Parteitage werden neben den Kandidaten auch die Wähler beider Parteien unter das Mikroskop gelegt. Laut einer von der Washington Post / Kaiser Family Foundation vorgelegten Studie (durchgeführt vom 25. 7.-5.8.2012 mit 3.130 zufällig ausgewählten Wahlberechtigtennimmt nicht nur die Polarisierung zwischen, sondern auch innerhalb der Parteien weiter zuWegen des anstehenden Parteitags der Republikaner gehe ich hier ausführlicher auf sie ein.

1998 bezeichneten sich bei einer von der Washington Post/ Kaiser Family Foundationund Harvard University durchgeführten Umfrage 41% der Republikaner und 45% der Demokraten als ihrer jeweiligen Partei „stark“ verbunden („strong partisans“). In der neuen Umfrage sind es 65% der Republikaner und 62% der Demokraten. Die Kluft zwischen ihnen hat sich vertieft, ablesbar vor allem an der Frage nach der Rolle des Staates. Im Gegensatz zu 1998 stimmt nun eine klare Mehrheit der Republikaner der Idee von „limited government“ zu, während die Mehrheit der Demokraten die Rolle des Staates positiv bewertet. Der Prozentsatz der Republikaner, die der Aussage „Die Staat reglementiert das Alltagsleben zu stark“ mit Nachdruck zustimmen, ist im Vergleich zu 1998 um 24% auf 63% gestiegen. Zugleich hat sich die Anzahl der Demokraten, die dieser Aussage widersprechen, auf 31% verdoppelt. Die Republikaner halten staatliche Regulierungen mehrheitlich für schädlich, während Demokraten sie zum Schutz des Gemeinwohls eher für nötig halten. Republikaner verlangen mehrheitlich, dass sich jeder um sich selbst kümmern sollte, während die Demokraten befürworten, dass der Staat die Lebensbedingungen verbessert.

Auch bezüglich religiöser Einstellungen und sozialkultureller Fragen, wie etwa der Abtreibung und gleichgeschlechtlichen Ehe, sind die Anhänger der Parteien geradezu spiegelbildlich. So halten es 60% der Republikaner für wichtig, dass religiöse Gruppen ihren Glauben in die Politik hineintragen. 62% der Demokraten hingegen sind der Auffassung, jegliche religiösen Gruppen sollten sich aus der Politik heraushalten. Bei Abtreibung und beim Thema Waffenbesitz ist die Kluft besonders deutlich: Mehr als doppelt so viele Republikaner wie Demokraten (63%) sind der Meinung, Abtreibung sollte generell oder in den meisten Fällen illegal sein. Obwohl in den letzten Jahren die Unterstützung der Gesamtbevölkerung für striktere Regeln für den Besitz von Waffen zugenommen hat, lehnt eine überwältigende Mehrheit der Republikaner (68 %) solche strengeren Reglementierungen ab.

Beide Parteien klaffen auch hinsichtlich ihrer Wählerschichten deutlich auseinander. Laut New York Times vom 26.8.2012 sind 87% der registrierten republikanischen Wähler weiss, nur 2% sind Afro-Amerikaner und nur 5% sind Latinos. Bei den Demokraten sind dagegen 61% der registrierten Wähler Weisse, 21% Afro-Amerikaner und 10% Latinos. 52% der registrierten Republikaner sind Männer, 48% Frauen. Bei den Demokraten liegen die Frauen mit 57% deutlich vor den Männern mit 43%.

Es gibt aber auch nach wie vor parteiübergreifend Gemeinsamkeiten aller Wähler. Die Umfragen zeigen, dass nicht nur 9 von 10 Demokraten, sondern auch 6 von 10 Republikanern der Forderung nach Regulierung von Treibhausgasen zustimmen. Auch in der Außenpolitik herrscht hinsichtlich zweier Fragen weitgehend Einigkeit: Nur noch sehr wenige Wähler sind der Meinung, die USA sollten eine führende Rolle in der Weltpolitik spielen. Die Mehrheit favorisiert die USA in einer wichtigen Rolle im internationalen System, ein Viertel aller Wähler beider Parteien wünscht sich gar eine weniger wichtige Rolle der USA. Wenn Kandidat Mitt Romney also für die Beibehaltung der amerikanischen Führungsrolle einritt, hat er die Mehrheit seiner Partei nicht mehr automatisch hinter sich. Im Spannungsfeld zwischen dem Kampf gegen Terrorismus und dem Schutz individueller Freiheitsrechte ist die Mehrheit in beiden Lagern davon überzeugt, dass der Staat genug tut, um die Freiheitsrechte des Einzelnen nicht zu weit zu beschneiden. Noch vor 5 Jahren war das Land hinsichtlich dieser Frage in zwei Lager gespalten.

Diversifizierung innerhalb der Parteien: Schon immer waren beide amerikanischen Parteien „big tents“, sprich Sammelbecken. Anhänger der jeweiligen Partei teilen gewisse Grundeinstellungen, differenzieren sich in ihren Einstellungen zu Einzelfragen aber oft weit auseinander. Das ist nach wie vor der Fall, allerdings haben sich einst feststehende (auch geographische) Untergruppierungen verändert. So ist der sog. Sun Belt (von Florida bis Kalifornien) keineswegs mehr die sichere Bastion republikanischer Wähler und Politik, wie dies vor und nach dem Aufstieg Ronald Reagans der Fall war. Die (auch in Folge der Finanzkrise) gestiegene Armut in den Vorstädten der Region, demographische Veränderungen (vor allem die Einwanderung der „Hispanics“) und die anti-Immigrations-Rhetorik und -Politik von Republikanern verschieben die Gewichte zu Gunsten der Demokraten. Kalifornien mit seinem hohen Anteil an Wahlmännern ist derzeit sicher im demokratischen Lager.

Laut Pew Research Center teilt sich die Republikanische Partei in folgende Untergruppen auf:

  • Libertäre Republikaner: Für freie Marktwirtschaft, zutiefst anti-staatlich, nicht betont religiös, isolationistisch, nicht unbedingt loyal republikanisch. Der prominenteste Vertreter ist der Abgeordnete und Ex-Präsidentschaftskandidat Ron Paul. Hauptthemen in den Wahlen sind die schlechte Wirtschaftslage, Steuerreduzierung, Deregulierung und Rücknahme der Gesundheitsreform.
  • Moderate Republikaner: Eine immer kleiner werdende Gruppe (liberale Republikaner sind de facto ausgestorben). Sie werden repräsentiert u.a. durch die Senatorin von Maine, Olympia Snowe, die sich jedoch nicht mehr der Wiederwahl stellt. Sie sind generell kompromissbereiter, nehmen häufig eine liberale Grundhaltung bezüglich der Wertefragen (wie Abtreibung) ein. Mitt Romney wurden ihnen in seiner Zeit als Gouverneur von Massachusetts zugerechnet.
  • Tea Party Republikaner: Populistisch, zuerst Konservative, dann erst Republikaner, voller Misstrauen gegenüber jeglicher wissenschaftlichen Expertise und Elite (einschließlich des eigenen Partei-Establishments). Wichtige Vertreter sind Senator Jim DeMint, Sarah Palin und auch – obgleich er nicht zur Tea Party Fraktion des Repräsentantenhauses gehört – VP-Kandidat Paul Ryan. Ihre Ziele: Steuersenkung, Deregulierung, Verbot von Abtreibungen (auch bei Vergewaltigung und Inzest).
  • Christlich-konservative Republikaner: Große Überlappung mit den Tea Party, allerdings weniger ausgeprägt anti-staatlich, meist „creationist“, sprich gegen die darwinistische Evolutionslehre, besorgt über den Niedergang amerikanischer Werte. Sie wollen Religion im öffentlichen Bereich deutlich sichtbar stärken. Prominente Vertreter sind die Abg. Michelle Bachmann und der ehemalige Senator Rick Santorum, die sich beide um die Kandidatur der Republikaner beworben hatten.
  • Pragmatische, pro-Establishment Republikaner: weniger ideologisch, weniger aggressiv bezüglich außenpolitischer Positionen. Hauptanliegen ist auch hier die Wirtschaftslage, daneben aber auch die Ablehnung von Abtreibung und gleichgeschlechtlicher Ehe sowie die Abschaffung der Krankenversicherungsreform. Der bekannteste Bannerträger ist Speaker John Boehner, Vorsitzender des Repräsentantenhauses.

Zwischen Rebellion und Konformität: Das angespannte Verhältnis der einzelnen Untergruppen zueinander erweckt den Eindruck einer zwischen offener Rebellion und rigider Konformität hin und her schwankenden Partei. So begehrt z.B. der Abg. Todd Akin, der durch seine absurden Aussagen zu Vergewaltigung und Schwangerschaft auch innerhalb der republikanischen Partei höchst umstritten ist, gegen das Partei-Establishment auf, dem es bislang nicht gelungen ist, ihn zum Rückzug zu bewegen. Andererseits beklagt der republikanische Präsidentschaftskandidat von 1996, der nun 89-jährige Senator Bob Dole, die von den meisten eisern vertretene Einheitslinie zu "small government" und Abtreibung: „We have got to be open. We cannot be a single issue party or a single philosophy party“. Er wendet sich gegen „undercurrent of rigid conservatism where you don't dare not to toe the line“. 

Die „unabhängigen“ Wähler – Schlüssel zum Wahlerfolg? Die Kampagnen von Präsident Obama als auch von seinem Konkurrenten Romney bauen in diesem Wahlkampf mehr denn je auf Zuspitzung und harte Rhetorik. Aber mit Blick auf die am meisten umgarnte Wählergruppe, die sogenannten „independents“, könnten leisere Töne – besonders über den politischen Gegner – der Schlüssel zum Wahlerfolg sein. Unabhängige (Wechsel–)Wähler machen ca. ein Drittel der aller Wähler aus und repräsentieren die Hälfte der (noch) unentschlossenen Wähler. Sie bieten daher vermeintlich ein großes, wenn auch schwer berechenbares Potential und werden von den Wahlkampfstrategen besonders genau beobachtet.

Laut der Washington Post / Kaiser Family Foundation-Studie denken und handeln aber beinahe zwei Drittel der „independents“ eher wie ein Anhänger der Demokratischen bzw. Republikanischen Partei. Die Mehrzahl sind folglich keine Wechselwähler im eigentlichen Sinn. Diese Gruppe als Schlüssel zum Wahlerfolg zu bezeichnen ist daher laut Washington Post verfehlt. Zu viele Wähler, die nicht wirklich bereit sind, ihre Wahlentscheidung unabhängig zu treffen, geben sich das Label „independent“. Der Prozentsatz derer, die im eigentlichen Wortsinn unabhängig sind und zugleich aktiv am politischen Prozess teilnehmen, liegt lediglich bei 5 % der „independents“ und innerhalb dieser Gruppe ist nur jeder Dritte tatsächlich ernsthaft unentschieden zwischen Obama und Romney. Dennoch unterscheidet das beinahe einstimmige Befürworten stärkerer überparteilicher Kooperation die Mitglieder dieser Gruppe von tatsächlichen Anhängern einer Partei. 70% favorisieren generell Kompromisse zwischen den Parteien und lehnen Konfrontationen ab. Nahezu gleich viele unabhängige Wähler sind unzufrieden mit dem politischen System.

In den aktuellen Umfragen hat Präsident Obama einen knappen Vorsprung vor Mitt Romney, sowohl bezüglich der Wählerstimmen, als auch bezüglich der Wahlmänner (270 muss ein erfolgreicher Kandidat auf sich vereinen; derzeit liegt Barack Obama mit 221 vor den 191 Wahlmännern für Mitt Romney). Ein harter Wahlkampf hat längst begonnen, in dem sich beide Parteien bemühen, die einzelnen Flügel und Untergruppen zusammenzuhalten und gemeinsam zu mobilisieren. Die starke Polarisierung der Parteianhänger stellt auch eine große Herausforderung für die Regierungsarbeit jedes zukünftigen Präsidenten dar. Vor allem innerhalb der Republikanischen Partei „frisst die Polarisierung mittlerweile ihre eigenen Kinder“. Die starke Abneigung und Abgrenzung gegen Personen mit anderen politischen Auffassungen hat z.B. in Vorwahlkämpfen in Kansas dazu geführt, dass rechte Republikaner moderate Parteifreunde attackiert und gar als Demokraten bezeichnet haben.

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