11.11.2022

„DeSantis ist der bessere Trump“

Knut Dethlefsen über die Machtverschiebung in Washington, das Präsidentschaftsrennen 2024 und die Auswirkungen der Wahl auf den Ukraine-Krieg.

Ist er bald nicht mehr die hellste Leuchte bei den Republikanern?

Die Fragen stellte Nikolaos Gavalakis.

Die Republikaner werden höchstwahrscheinlich die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobern können, das Rennen um den Senat ist noch offen. Die Demokraten verlieren also ihre Mehrheit im Kongress, die erwartete „rote Welle“ ist jedoch ausgeblieben. Wie sind die Ergebnisse der Zwischenwahlen zu bewerten?

Den Demokraten ist es gelungen, historische Trends zu brechen. Sie haben für eine Partei, die den Präsidenten stellt, das beste Zwischenwahlergebnis in 20 Jahren eingefahren. Während Republikaner die Abstimmung zu einem Referendum über Biden und Inflation machen wollten, war diese Wahl weniger eine Abrechnung der Wählerinnen und Wähler mit den Demokraten als vielmehr eine bewusste Wahlentscheidung zwischen unterschiedlichen Alternativen und Politikansätzen. Die US-Wähler haben differenzierter abgestimmt, als viele dies erwartet hatten. Es war eben keine reine Abstimmung über „Inflation“ auf der einen Seite oder „Abtreibung“ auf der anderen.

Während Wählerinnen auf demokratischer Seite durch die Abtreibungs-Entscheidung des Obersten Gerichtshofs mobilisiert wurden und mehrheitlich für die Demokraten stimmten, gingen Beobachter davon aus, dass das Thema Inflation einseitig den republikanischen Kandidaten Auftrieb geben würde. Aber die Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass es Gründe für die Inflation gibt und wissen auch, dass Politik nicht alle Probleme sofort lösen kann. Was sie erwarteten, war, dass die Demokraten etwas dagegen unternehmen, und das haben sie auch getan – zum Beispiel mit dem Inflation Reduction Act. Auf der anderen Seite gab es nie einen republikanischen Plan zur Bekämpfung der Inflation. Nur „Inflation, Inflation, Inflation“ zu rufen und auf Biden zu zeigen, reichte eben nicht.

Wir sollten auch nicht die Mobilisierung auf demokratischer Seite unterschätzen, die durch Trumps Einmischung in den Vorwahlprozess und die Kandidatenauslese ausgelöst wurde. Die Republikaner haben in wichtigen Rennen Kandidaten nominiert, die unerfahren oder qualitativ schlecht und darüber hinaus extrem in ihren politischen Ansichten waren. Die Qualität der Kandidatinnen und Kandidaten war am Ende doch ausschlaggebend. Es gab keine reine Abstimmung entlang der Parteigrenzen.

Das Repräsentantenhaus wird wohl in der Tat die Mehrheiten wechseln. Die Mehrheit im Senat wird jedoch erst nach der Stichwahl am 6. Dezember in Georgia zwischen dem Demokraten Raphael Warnock und dem Republikaner Herschel Walker feststehen.

Was ist vor dem Hintergrund der zu erwartenden Machtverschiebung in Washington und dem politischen Klima im Land für die nächsten zwei Jahre zu erwarten?

Solange die Mehrheitsverhältnisse im Senat nicht klar sind, ist die Frage der Machtverschiebung nicht eindeutig zu beantworten. Aber egal, wie es in Georgia ausgeht, klar zeichnen sich meiner Ansicht nach bereits die folgenden Entwicklungen ab: Eine republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus wird nur sehr klein ausfallen – am Ende werden es wohl nicht mehr als fünf bis sieben Sitze sein. Das wird es dem neuen Mehrheitsführer schwer machen, den Laden zusammenzuhalten. Und es ist auch noch lange nicht ausgemacht, dass der Kevin McCarthy heißen wird. Um die eigene Basis auf Linie zu halten, werden die Republikaner sicher Untersuchungsausschüsse im Kongress gegen Biden, die Administration und seine Familie starten. Aber allein damit lassen sich die Wahlen 2024 nicht gewinnen. Eine Lektion, die die Republikaner aus den Midterms mitnehmen sollten, ist, dass die Wähler Antworten auf ihre Alltagsprobleme erwarten. Wenn man selbst in Verantwortung ist, muss man auch liefern.

Klar ist auch, dass sich die politische Landschaft in den USA verändert hat. Weder Florida noch Ohio sind heute noch swing states, sondern mehr oder weniger fest in republikanischer Hand. Hinzu kommt eine Diversifizierung der Republikanischen Partei und die Tatsache, dass sie stärker bei Minderheiten punkten konnte. Das sollte für die Demokraten ebenso ein Weckruf sein. Ohne starke Unterstützung von schwarzen Wählerinnen und Wählern sowie von denen lateinamerikanischer Herkunft werden die Demokraten in ihren städtischen Hochburgen an Stimmen einbüßen. Aber gerade dort müssten sie eigentlich die Nachteile in den ländlichen Gebieten wieder wettmachen. Zudem müssen sie wieder attraktiver für weiße Wähler ohne Hochschulabschluss werden. John FettermanTim Ryan und auch das ground game der Gewerkschaften zeigen, wie das gehen kann – auch wenn es nicht automatisch zum Erfolg führt.

Was das Klima im Land angeht, bin ich wenig optimistisch, dass wir ruhigeren oder weniger konfliktreichen Zeiten entgegenblicken. Allein die Übernahme von Twitter durch Elon Musk verheißt da nichts Gutes.

Bei den Republikanern scheint alles auf das Duell Trump gegen den frisch wiedergewählten Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, hinauszulaufen. Wer hat die besseren Chancen und wie könnte sich der Ausgang des Zweikampfs auf die Entwicklung der Partei auswirken?

Mit Ron DeSantis hat Trump sicher den gefährlichsten innerparteilichen Konkurrenten um die Präsidentschaftskandidatur. DeSantis hat Florida nicht mit 4 Prozentpunkten – wie Trump als Kandidat 2020 –, sondern mit unglaublichen 20 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen und das ist eine Machtdemonstration. Allerdings weiß DeSantis um das fragile Ego des Ex-Präsidenten und wird seinen Erfolg zunächst nicht als Kampfansage an Trump deklarieren. Dass sich das Machtgefüge innerhalb der Republikaner aber gerade zu verschieben beginnt, zeigen Berichte, nach denen Trump-Vertraute ihm anraten, die ursprünglich für nächste Woche geplante „große Ankündigung“ aus Mar-a-Lago zu verschieben. Erwartet worden war die Erklärung der Kandidatur Trumps am 15. November. Jetzt sagen jedoch mehrere Republikaner, Trump und DeSantis sollten ihre Energie lieber auf die Senatsnachwahl in Georgia konzentrieren.

Abgesehen davon gibt DeSantis den trumpkritischen Elementen der Republikaner eine weitere Exit Ramp: Sie könnten Trump als Person hinter sich lassen, ohne seine ideologischen Ansätze über Bord zu werfen. DeSantis ist momentan der „bessere“, weil erfolgreichere Trump. Klar ist: Der Trumpismus wird Trump selbst überleben und die Republikaner werden sich genau überlegen müssen, ob Trump selbst mittlerweile zu toxisch ist, um politisch langfristig erfolgreich sein zu können. Die Ergebnisse der Midterms haben auf jeden Fall die Debatte darum beschleunigt.

Joe Biden wird diesen Monat 80, seine Umfragewerte sind nicht besonders hoch: Laut einer Umfrage wollen zwei Drittel nicht, dass Biden 2024 erneuert kandidiert. Auch Kamala Harris ist relativ unbeliebt. Können die Demokraten mit diesem Personal 2024 gewinnen? Gibt es überhaupt eine Alternative?

Joe Biden hat, anders als Trump, vom Ergebnis der Zwischenwahlen trotz des wahrscheinlichen Verlustes der Mehrheit im Repräsentantenhaus profitiert. Sollte er sich für eine zweite Amtszeit entscheiden – und davon gehe ich momentan aus –, dann werden es innerparteiliche Anwärter sehr schwer haben, sich gegen ihn durchzusetzen. Kamala Harris gilt weithin nicht als aussichtsreiche Kandidatin. Aber Bidens Kalkulation wird auch davon abhängen, ob Trump noch einmal kandidiert. Für 2024 könnte es also durchaus zur Wiederholung von „Biden gegen Trump“ kommen.

Spätestens 2028 aber werden Demokraten und Republikaner auf dynamischere Nachwuchstalente setzen. Und die gibt es auf beiden Seiten. Auf demokratischer Seite gelten der neugewählte und erste schwarze Gouverneur Marylands, Wes Moore, aber auch die Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, und Transportminister Pete Buttigieg als aufsteigende politische Talente. Ambitionen auf dieses Amt werden auch dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsome und der gerade gewählten Gouverneurin von New York, Katie Hochul, nachgesagt. Auf republikanischer Seite richten sich alle Augen darauf, ob Trump antritt und wer sich traut, ihn herauszufordern. An erster Stelle muss man dort sicher Wahlgewinner DeSantis nennen. Es wird davon ausgegangen, dass der frühere Vizepräsident Mike Pence demnächst seine Kandidatur erklären wird. Als Talente und Anwärter auf republikanischer Seite sind neben DeSantis und Pence aber auch der Gouverneur von Virginia, Glen Youngkin, der einzige afro-amerikanische Senator der Republikaner, Tim Scott, die frühere Gouverneurin und UN-Botschafterin Nikki Haley, der frühere Außenminister, Mike Pompeo sowie Ex-Moderatorin Kari Lake zu nennen. Sie ist momentan noch im Rennen um das Gouverneursamt in Arizona und gilt als aufsteigender Stern der MAGA-Bewegung (Make America Great Again). Vielleicht sehen wir 2028 das erste Duell zwischen einer demokratischen und einer republikanischen Präsidentschaftskandidatin.

Es gibt Stimmen, die befürchten, dass die USA mit einem republikanisch dominierten Kongress ihre Unterstützung für die Ukraine zurückfahren könnten. Wie groß ist diese Gefahr?

In der Frage, wie stark die USA die Ukraine unterstützen sollten, ist die Republikanische Partei gespalten. Einzelne Vertreter äußerten sich in der Vergangenheit dahingehend, dass sie die Ukraine nicht mehr im bisherigen Umfang unterstützen würden, sollten die Republikaner die Mehrheit erlangen. Besondere Aufmerksamkeit bekam die Aussage des Minderheitsführers im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, man werde der Ukraine keinen „Blanko-Scheck“ ausstellen, sollte man den Kongress zurückgewinnen.

Gleichzeitig befürworteten viele Republikaner zu Beginn des Krieges in der Ukraine deutlich eine Unterstützung seitens der USA. Und auch jetzt gibt es, insbesondere unter etablierten republikanischen Politikern, Stimmen, sich für eine Unterstützung im bisherigen oder sogar größeren Umfang einsetzen. So sagte Mitch McConnell, republikanischer Minderheitsführer im Senat: „Die Biden-Administration und unsere Verbündeten müssen mehr tun, um der Ukraine die Mittel an die Hand zu geben, die sie braucht, um die russische Aggression abzuwehren“, einschließlich „zusätzlicher“ Hilfe.

Kritik an der Unterstützung der Ukraine bezog sich zudem meistens auf den finanziellen Umfang – insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Situation in den USA. Insofern gehe ich davon aus, dass das Thema vor allem zu Wahlkampfzwecken instrumentalisiert wurde. Negative Stimmen kamen vor allem aus dem Trump-Lager, das aber aus den Zwischenwahlen politisch geschwächt hervorgeht.

Und noch eines sollten wir nicht vergessen: Mit einer republikanischen Mehrheit im Senat hätte es Biden sehr viel schwerer, seine innenpolitische Agenda umzusetzen. Das wird ihn dazu bringen, stärkere außenpolitische Akzente im dritten Jahr seiner Amtszeit zu setzen. Die Hilfen für die Ukraine und der Zusammenhalt des Westens dürften in dieser Angelegenheit weiter ganz oben auf der außenpolitischen Prioritätenliste der Biden-Regierung stehen.

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