26.09.2012

Die außenpolitischen Strategien Obamas und Romneys im Vergleich - Unterschiede eher im Stil als in der Substanz

Der aktuelle US-Präsidentschaftswahlkampf wird eindeutig nicht über außenpolitische Themen geführt. Für Gouverneur Romney besteht der Wahlkampf vielmehr darin, die amerikanischen Wähler davon zu überzeugen, dass Obama eine schwache wirtschaftspolitische Bilanz vorzuweisen hat und daher abgewählt werden sollte. Präsident Obamas Bemühen hingegen ist es, den Wählern klar zu machen, dass Romney zu weit von der amerikanischen Mittelschicht entfernt ist, um ihre Situation verbessern zu können.

Dennoch haben außenpolitische Fragen ihren Weg in den Wahlkampf gefunden, vor allem als Folge der jüngsten Verwerfungen im Nahen Osten. Mitt Romney, der in den Umfragen zurück liegt, hat versucht, außenpolitische Themen zu finden, in denen er Präsident Obama als schwach darstellen kann. Diese Themen versucht er, so weit wie möglich auszuschlachten.

Aber Gouverneur Romney befindet sich auch in einer ungewöhnlichen Position für einen republikanischen Herausforderer: Zum ersten Mal seit dem Vietnamkrieg scheinen die Demokraten bezüglich der Außen- und Sicherheitspolitik im Vorteil zu sein. Daher sind Romneys Angriffe auf Obamas Außenpolitik in der Regel auf den Politikstil beschränkt und zielen nicht auf die inhaltliche Substanz ab. Wenn es um die Kritik Romneys an spezifischen Fragen der Außenpolitik des US-Präsidenten ging, konzentrierte sich der Republikaner weitgehend auf das iranische Atomprogramm und den Vorwurf der mangelnden Unterstützung der USA für Israel.

Mitt Romney kritisiert Obama häufig für seinen außenpolitischen Politikstil. Ein oft genannter Kritikpunkt Romneys ist, Präsident Obama vertrete nicht die Idee des "amerikanischen Exzeptionalismus" – die unter amerikanischen Konservativen verbreitete Vorstellung, die Vereinigten Staaten spielten aufgrund ihrer politischen Werte eine einzigartige und bevorzugte Rolle im internationalen System. 

Dieser unter Republikanern weit verbreitete Glaube wurde sprachlich vielleicht am besten von Ronald Reagan beschrieben, als er von den Vereinigten Staaten als einer "shining city on a hill" sprach.

Romneys Wahlkampfteam ist davon überzeugt, dass Obama eben diese Idee einer amerikanischen Sonderrolle ablehnt und bezichtigt den Präsidenten, sich ‚für Amerika zu entschuldigen’.

Ein zweiter Kritikpunkt Romneys an der Obama-Regierung manifestiert sich im Vorwurf, sie habe es an ausreichenden Führungsqualitäten und Entschlossenheit mangeln lassen. Entsprechend ist der erste Grundsatz, den Romneys Team im „white paper“ zur Außenpolitik dargelegt hat, ‚Klarheit und Entschlossenheit’ zu zeigen. Mitt Romney versuchte, diesen Unterschied nach der Ermordung des US-Botschafters in Libyen, Chris Stevens, deutlich zu machen. Er warf dem Präsidenten und dem Außenministerium vor, amerikanische Werte inmitten der Proteste der arabischen Welt nicht lautstark genug zu verteidigen. Diese Attacke Romneys wurde jedoch von den etablierten US-Medien weitgehend als vorschneller und verzweifelter Fehlschlag bewertet.

Zutreffender sind Romneys kritische Äußerungen zu einem Mangel an Klarheit und Entschlossenheit mit Blick auf die handwerklichen Fehler, die die Obama-Administration 2009 beim Versuch gemacht hat, eine Abkehr von Präsident Bushs Raketenabwehr-Strategie vorzunehmen. Wichtige zentraleuropäische Verbündete der USA wurden durch unklar kommunizierte Absichten hinsichtlich der neuen Sicherheitsarchitektur verwirrt und stehen der Administration misstrauisch gegenüber.

Abseits dieser Kritikpunkte ist es unklar, ob ein US-Präsident Romney tatsächlich von einer härteren außenpolitischen Haltung der USA im regierungspolitischen Tagesgeschäft profitieren würde.

Präsident Obamas außenpolitischer Ansatz wurde zu einem wesentlichen Teil von den Erfahrungen der Bush-Präsidentschaft geprägt. Die mit Nachdruck vertretenen außenpolitischen Überzeugungen der damaligen Administration stießen die Alliierten vor den Kopf und schreckten die Weltöffentlichkeit ab. Zum Beispiel steht George W. Bushs Koalitionsbildungsstil getreu dem Motto „für uns oder gegen uns“ in einem starken Kontrast zu Obamas eher leisen Diplomatie gegen das iranische Atomprogramm.

Das Resultat ist ein unvollendetes aber breites internationales Sanktionsregime gegen den Iran und sein Atomprogramm, das Irans Wirtschaft massiv getroffen hat, wenn es auch das Nuklearprogramm bisher nicht unterbinden konnte. Eine härtere Gangart hätte es aller Voraussicht nach schwerer gemacht, zurückhaltende Partner wie beispielsweise die Türkei, Russland und China an einer Isolierung des iranischen Regimes zu beteiligen.

Die Frage nach Irans Atomprogramm und die von ihr ausgehende Bedrohung für Israel ist der zentrale Punkt, an dem Gouverneur Romney stets versucht hat, sich von Präsident Obama abzugrenzen. Angesichts der angespannten Beziehungen zwischen Barack Obama und Israels Premierminister Netanjahu und Irans kontinuierlichem Fortschritt bei der Entwicklung einer Atomwaffe, sieht Romney eine passende Gelegenheit, den Präsidenten schwach aussehen zu lassen und ihm wichtige Stimmen der jüdischen Wählerschaft im umkämpften Bundesstaat Florida abzuringen.

Gouverneur Romney hat verlauten lassen, dass er als Präsident einen militärischen Einsatz gegen den Iran als ernst zu nehmende Drohung  kommunizieren, eine fünfte Runde internationaler Sanktionen vorantreiben, die iranische Opposition unterstützen und die Entwicklung eines nationalen Raketenabwehrsystems beschleunigen würde. Aber unterscheiden sich diese Ankündigungen wirklich im Kern von denen Präsident Obamas?

In der Tat hat die derzeitige US-Administration immer wieder betont, dass ein Militärschlag gegen den Iran als Option nicht „vom Tisch” ist. Eine fünfte Runde von UN-Sanktionen wird sicher nicht unter einer Romney-Regierung zustande kommen, die angekündigt hat, gegenüber China und Russland – beides Mitglieder des UN Sicherheitsrates mit Veto-Macht – „harte Bandagen anzulegen“, wenn es um andere bilaterale Interessen geht. Darüber hinaus waren die diplomatischen Bestrebungen der Obama-Administration mit der Europäischen Union bezüglich eines Embargos für Ölimporte aus dem Iran bisher sehr viel effektiver als weitere UN-Sanktionen.

Die Unterstützung der iranischen Opposition könnte sicherlich erfolgversprechend sein, um das regierende Regime zu erschüttern. Der Anführer der iranischen „grünen“ Oppositionsbewegung, Mir Hossein Mossavi, ist jedoch ein mindestens ebenso großer Befürworter des iranischen Atomprogramms wie Ayatollah Khamenei oder Präsident Ahmadinedschad. Und auch wenn wichtige finanzielle und technische Fragen bezüglich der Ausgestaltung von Obamas Raketenabwehrschirm bisher unbeantwortet bleiben, steht Romneys Unterstützung für ein globales Raketenabwehrsystem in klarem Widerspruch zu seinen Äußerungen, gar nicht erst zuzulassen, dass der Iran eine Atomwaffe entwickeln kann.

Es gibt tatsächlich Unterschiede zwischen Obamas und Romneys außenpolitischen Strategien. Doch ebenso wie es einen hohen Grad an außenpolitischer Kontinuität zwischen den Präsidenten Bush und Obama gab, so können wir auch eine ähnliche  Kontinuität in vielen Bereichen erwarten, sollte Mitt Romney ins Weiße Haus einziehen. Der größte Unterschied zwischen den beiden Kontrahenten betrifft wohl eher den Regierungsstil: Von einer Romney-Administration kann eine deutlicher hörbare und eher nationalistische Vertretung von US-Interessen erwartet werden. Aber ungeachtet dessen, welchen Stil Romney wählen wird – am ersten Tag einer möglichen Amtszeit würde ein Präsident Romney feststellen müssen, dass die Sanierung der US-Wirtschaft oberste Priorität hat. Zudem würde er einsehen müssen, dass sein außenpolitischer Ansatz nuancierter und flexibler gestaltet werden muss, als er ihn bisher in seiner Wahlkampfkampagne vertreten hat.

Jeff Lightfoot ist stellvertretender Direktor des Brent Scowcroft Center on International Security beim Atlantic Council. Der Artikel spiegelt die persönliche Meinung des Verfassers wider.

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