01.04.2020

Die USA und das Coronavirus

Das FES DC-Team bloggt zur Lage der Pandemie: Von staatlichen Eingriffen über Wirtschaftshilfen bis hin zum Stand der Demokratischen Partei.

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Die Pandemie in den USA – Ein erster Rückblick

Als am 21. Januar 2020 im Bundesstaat Washington ein 30-jähriger Mann, der kurz zuvor aus China zurückgekehrt war, an COVID-19 erkrankte, hörte das US-amerikanische Volk den Präsidenten sagen, alles sei völlig unter Kontrolle. In den darauffolgenden Wochen wiederholten nicht nur Präsident Trump, sondern auch seine Kabinettsmitglieder und andere hohe Regierungsbeamte dieses Mantra. Selbst nachdem der Präsident den Reiseverkehr aus China für Nicht-US-Bürger stoppte, hielt er doch daran fest, dass die USA nicht weiter betroffen sein würden und sagte noch am 27. Februar, "Es wird verschwinden. Eines Tages - es ist wie ein Wunder - wird es verschwinden." Erst als die Finanzmärkte rapide zusammenbrachen, begann auch das Weiße Haus hektisch Maßnahmen zu ergreifen. Zu dem Zeitpunkt hatte sich das Coronavirus längst im Land verbreitet und es wurden die ersten Todesfälle verzeichnet. 

Um die Ausbreitung einer Krankheit zu verfolgen und zu steuern, muss eine Regierung dafür sorgen, dass genügend Tests durchgeführt werden. Für Covid-19 musste ein neuer Test entwickelt werden. China hatte seinen eigenen Test entwickelt und die WHO stellte die Testprotokolle von deutschen Forschern bereits Mitte Januar öffentlich für jedes Land zugänglich zur Verfügung. Das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) entschied allerdings, und das ist nicht ungewöhnlich, einen eigenen, auf die Bestimmungen und Gesundheitsbedürfnisse der USA abgestimmten Test zu schaffen. Bereits Ende Januar wiesen anerkannte US-Wissenschaftler darauf hin, dass die Regierung darauf vorbereitet sein sollte, die Bevölkerung in großem Maßstab zu testen. Diese Rufe verhallten ungehört, denn das CDC beschränkte Teststationen darauf, nur Patienten mit sehr bestimmten Voraussetzungen testen zu dürfen. Somit kamen nur Patienten in Frage, die kürzlich in Wuhan waren oder mit einer bereits positiv getesteten Person Kontakt hatten. Aufgrund dieser Bestimmungen und dem Fakt, dass nur CDC-Labore die Tests durchführen durften, wurden bis Mitte Februar gerade einmal 800 Personen getestet, d.h. 2,4 Tests pro einer Million Menschen. Im Vergleich dazu hatte Südkorea, wo die ersten Fälle zeitgleich zu den USA auftraten, da bereits 8000 Personen getestet, d.h. 154,7 pro einer Million Menschen. 

Am 24. Februar twitterte Trump: „Das Coronavirus ist in den USA sehr gut unter Kontrolle“. Am selben Tag plädierten Kommunen und Landesregierungen dafür, die Tests endlich für alle Labore freizugeben. Es dauerte noch bis zum 29. Februar, als die Food and Drug Administration (FDA) die Beschränkungen für Labore schließlich aufhob und am 3. März auch die Einschränkungen, wer sich testen lassen kann, beendet wurden. Da waren bereits 13 US-Bürger am Virus gestorben. Doch die Verzerrungen der realen Zustände gingen von oberster Stelle weiter, denn noch am 6. März sagte Präsident Trump öffentlich „Jeder, der einen Test braucht, bekommt einen Test. Sie sind da. Wir haben die Tests. Und die Tests sind schön.“ Die Realität sah weiterhin anders aus. Südkorea hatte bis zum 8. März 188.518 Tests durchgeführt. Da lag die Anzahl der durchgeführten Tests in den USA bei 3.099. Erst am 15. März verkündete das CDC landesweite Richtlinien, die von den Bundestaaten benutzt werden können, verpflichtend sind sie nicht. Bis heute gibt es keine landesweiten Ausgangsbeschränkungen, sie wurden allerdings auf Bundesstaatenebene bereits von vielen verordnet. Derzeit unterliegen Zweidrittel (265 Millionen) aller US-Amerikaner einer Ausgangsbeschränkung, Schulen sind landesweit geschlossen. Am 27. März verabschiedete der Kongress ein Hilfspaket in Höhe von 2 Billionen US-Dollar, um die enormen wirtschaftlichen Folgen des Landes aufzufangen. 

Der Präsident sendete zwei Monate lang irreführende und widersprüchliche Signale an sein Land und überließ die Reaktion auf das Coronavirus scheinbar seinen täglich schwankenden Gefühlszustand. Gouverneure, die von ihm staatliche Unterstützung und dringend benötigte medizinische Ausrüstung forderten, wurden per Twitter beleidigt, weil sie ihm nicht ausreichend Dank priesen. Und obwohl nachgewiesen wurde und wird, dass in vielen Krisenregionen das Material für die Tests und die persönliche medizinische Schutzausrüstung fehlt, sah Präsident Trump nicht die Not, Firmen entsprechend dazu aufzufordern dieses Material herzustellen. Lange hat er gehadert und nach erheblichem Druck der Bundesstaaten beugte sich Präsident Trump am 27. März und lies den Defense Production Act wieder in Kraft treten, wenn auch nur halbherzig. Das Gesetz von 1950 gibt der Regierung in Notfällen mehr Kontrolle, um die Industrieproduktion für in dieser Zeit benötigte Produkte zu steuern. Allerdings ruft Trump hiermit einzig die Firma GM dazu auf, ihre Produktion auf Beatmungsgeräte umzustellen. Andere medizinisch notwendige Materialien, wie z.B. Schutzkleidung, Masken, Sauerstoffflaschen usw. werden nicht erwähnt. 

Die Fehltritte sind mannigfaltig und die Ignoranz unglaublich. Höchste Regierungsebenen traten hinter den Präsidenten und ließen ihn und seinen Lieblingssender Fox News die Realität verzerren. Derweilen konnte sich das Virus ungehindert im Land ausbreiten und ist bis Ende März weit entfernt von einer wirklichen Eindämmung oder Kontrolle. Einziger Hoffnungsschimmer sind die vielen Bundesstaaten, die unerschöpflich gegen das Virus ankämpfen. Ihnen fehlt die bundesstaatliche Unterstützung. Gouverneure, wie zum Beispiel der ruhelose Andrew Cuomo, der momentan in New York mit dem größten Ausmaß des Virus zu kämpfen hat, zeigen Führungsqualitäten, die sich viele von ihrem Präsidenten (ge)wünscht hätten.

Staatliche Eingriffe und Exit-Strategie 

Wie oben beschrieben, wurde sowohl auf Bundes- als auch auf Bundesstaatenebene auf die Pandemie reagiert. Die Bundestaaten haben schneller gehandelt als die Bundesregierung, die Schwierigkeiten hatte, ihre Antworten zu koordinieren. Das Handeln des Bundes zeigt sich in den vom Präsidenten erlassenen Reisebeschränkungen, in seiner Zustimmung zur Notfallfinanzierung durch die Bundesstaaten und in seiner Reaktivierung des Defense Production Act von 1950. Sie zeigt sich auch in den zahlreichen und massiven Konjunkturpaketen, die vom Kongress verabschiedet wurden.  

Die Regierungen der Bundesstaaten haben die Befugnis, den "Notstand" auszurufen, der die Fähigkeit zum Handeln oder zur Änderung von Vorschriften im Interesse der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit erhöht. Diese Erklärungen können bei der Bundesregierung als Anträge auf Nothilfe der Bundesregierung eingereicht werden. Der Präsident billigt diese staatlichen Anträge. Die Gouverneure der Bundesstaaten haben die Möglichkeit, Schulen zu schließen und Ausgangssperren zu verhängen, die je nach Bundesstaat unterschiedlich definiert sind. Sie können auch die Nationalgarde für ihren Staat aktivieren. 

Es ist unklar, welche Exit-Strategien es gibt. Die am 29. März von Präsident Trump bis zum 30. April verlängerten Richtlinien zur "sozialen Distanzierung" schlagen eine Fortsetzung der Aussetzung des "normalen Lebens" vor. Aber niemand weiß, wann die Ansteckungsgefahr ausreichend eingedämmt ist, um das normale Geschäfts-, Reise- und Zivilleben wieder aufzunehmen. Was die Frage betrifft, wer die Befugnis hat, mit der Rückkehr zur Normalität zu beginnen, so sind die Exekutivorgane (Präsident, Gouverneure) befugt, diese zu verlängern oder aufzuheben.

Der Staat greift ein – Stabilisierung der Wirtschaft 

Angesichts riesiger Löcher in den sozialen Sicherungssystemen der USA (27 Millionen Amerikaner_innen sind nicht krankenversichert; mehr als 30 Mio. Beschäftigte oder ein Viertel aller Arbeitnehmer_innen haben keinen Anspruch auf bezahlte Krankentage) wurden vom US-Kongress bisher drei Hilfspakete auf den Weg gebracht, zwei davon als Stabilisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.

Der Families First Coronavirus Response Act im Umfang von ca. 100 Mrd. US-Dollar wird u.a. zwei Wochen bezahlter Krankentage (bei vollem Einkommen) für den Zeitraum von 12 Monaten finanzieren. Dazu kommen bis zu 12 Wochen bezahlter Familien- und Pflegezeit (bei zwei Drittel des Einkommens). Praktisch läuft das über einen Steuerkredit auf die Sozial-versicherungsabgaben. Für Kleinunternehmen (mit weniger als 50 Angestellten) und Unternehmen mit mehr als 500 Angestellten gilt die Regelung nicht.

Das bisher umfangreichste Hilfspaket von ca. 2,2 Billionen US-Dollar ist der Coronavirus Aid, Relief, and Economic Security Act (CARES). Er beinhaltet u.a. Einmalzahlungen von 1.200 US-Dollar an fast jeden Bürger und 500 US-Dollar für fast jedes Kind; ein 500 Mrd. US-Dollar starkes Kreditprogramm für Unternehmen; ein 377 Mrd. US-Dollar umfassendes Finanzprogramm für kleine Unternehmen (z.B. zur Zahlung von Löhnen); 150 Mrd. US-Dollar für Bundestaaten und Gemeinden sowie eine großzügigere Finanzierung der Arbeitslosenversicherung von 250 Mrd. US-Dollar (zusätzliche 600 US-Dollar pro Woche pro Anspruchsberechtigtem für vier Monate). 

Vor allem das 500 Mrd. US-Dollar Kreditprogramm für Unternehmen stieß auf Kritik der Demokraten, weil Teile dieser Summer für bestimmte Industriezweige oder einzelne Unternehmen wie Boeing geplant wurden. Um mehr Transparenz bei der Vergabe zu garantieren, muss Trump einen „Special Inspector General for Pandemic Recovery“ nominieren und vom Senat bestätigen lassen, der die Auszahlung überwacht und dem Kongress Bericht erstattet. Der Kongress wird zudem eine fünfköpfige Kommission einsetzen, die die Ausschüttung ebenfalls kontrollieren soll. Unternehmen, die öffentliche Finanzhilfe erhalten, müssen u.a. die Bezahlung von Top-Managern beschränken und dürfen keine Aktienrückkäufe vornehmen. Der Präsident, sein Vize, das Kabinett und Abgeordnete sowie Senatoren dürfen ebenso keine finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen.

Nachdem die US-Notenbank die Zinsrate Anfang März quasi auf Null gesetzt hatte (Leitzins 0,25 Prozent), kündigte sie an, Anleihen im Wert von 700 Mrd. US-Dollar aufzukaufen. Diese Summe könnte bei Bedarf noch nach oben angepasst werden.

Der Blick nach Außen

Die USA richten ihren Blick derzeit vor allem nach innen, Deutschland oder anderen Ländern spielen in dieser Krise keine Rolle. Auch die Tatsache, dass in Deutschland oder Südkorea prozentual sehr viel mehr Menschen auf das Virus getestet werden, was vermutlich zur wesentlich geringeren Todesrate führt, hat in den USA kaum mediale oder politische Aufmerksamkeit erhalten. 

Der Status der Vereinigten Staaten als globale Führungsmacht (innenpolitische Vorzeigedemokratie, globale Führungsansprüche und internationales Krisenmanagement) wird durch die Coronavirus-Pandemie auf die Probe gestellt. Bislang hält Washington das Ruder nicht fest in der Hand. Die USA sind auch nicht bekannt dafür, von anderen Ländern lernen zu wollen, was hier sehr deutlich wird, denn es wurden alle Fehler trotz europäischer Beispiele wiederholt. 

Während eines am 30. März 2020 geführten Telefoninterviews mit dem konservativen Fernsehsender FOX News, diskutierte Trump, wie Russland während des Zweiten Weltkriegs ein Verbündeter der USA war. "Sie verloren 50 Millionen Menschen. Sie waren unser Partner im Zweiten Weltkrieg. Deutschland war der Feind, und Deutschland ist jetzt diese wunderbare Sache. Aber Deutschland nutzt uns seit Jahren im Handel aus, sie zahlen viel zu wenig an die NATO ... und niemand spricht darüber.“

Länder können und sollten aus den Antworten anderer Länder lernen: Probleme lassen sich am besten in einem Umfeld des Vertrauens und der Transparenz vermeiden, Herausforderungen werden am besten durch kohärentes, entschlossenes und konsequentes Handeln bewältigt. Dazu bedarf es internationaler Partnerschaften. Leider scheint Präsident Trump meist nur den kurzfristigen Nachrichtenzyklus im Blick zu haben.

Die Demokratische Partei und COVID-19 

Letzte Umfragen zeigen, dass Wählerinnen und Wähler der Demokratischen Partei im Allgemeinen viel besorgter über die Bedrohung durch das Coronavirus sind als Republikaner. Das Desinteresse unter Anhängern der Republikaner lässt sich zum Teil vermutlich auf den frühen und oft hanebüchenen Unsinn zurückführen, der vom Weißen Haus und von Fox News verbreitet wurde. Laut Trump (so z.B. auf Twitter am 9. März) überschätzten die Demokraten die Situation, und dass „[die Panikmache] ihr neuer Schwindel sei“. Das führte u.a. zu ganz realen Folgen für die öffentliche Gesundheit: Strände voller junger Menschen während der Semesterpause in Florida oder Mardi Gras in New Orleans. 

Ob positiv oder negativ, ob lebensnotwendig oder nicht, Präsident Trump kontrolliert das Narrativ um seine Regierung und versucht, eine ungünstige Berichterstattung zu vermeiden. Dies veranlasst ihn dazu, Themen herunterzuspielen, um die PR-Schlacht zu gewinnen, wie er es in dieser Krise von Beginn an zeigte, als die Börse abstürzte. In schwierigen Situationen verlässt er sich auf seinen inneren Kreis statt auf Fachexperten und Fakten. Die Reaktionen des Präsidenten sind oft unrealistisch, falsch und irrrational.

In der Demokratischen Partei selbst herrscht die Meinung, dass es irgendwie "unverantwortlich" sei, in einer Krise den politischen Einfluss auszunutzen, um die bestmögliche Reaktion zu erreichen. Das bedeutet dann aber auch, dass die Republikaner die Krisenführung übernehmen werden und möglicherweise die Anerkennung dafür einsammeln. Präsident Trumps Inkompetenz zeigt sich in seinem Krisenmanagement nur zu deutlich und doch scheint er sie wie eine Monstranz vor sich herzutragen, wenn er sich zum täglichen Corona-Briefing vor die Kameras stellt. Seine Zustimmungswerte steigen und zum ersten Mal liegt die Zustimmung höher als die Missbilligung. Die Demokraten verlieren an Boden, die Primaries sind kaum ein Thema und die Präsidentschaftskandidaten Biden und Sanders sind durch das mediale 24h Coronavirus-TV quasi ausgeschaltet. Es ist die Trump-Show und die Fäden hält er (noch) in der Hand. 

Was die direkten Hilfen für Arbeitnehmer_innen aus den zwei Hilfspaketen angeht, so sind diese allein den Demokraten im Kongress zu verdanken, die sie mit aller Macht in den Verhandlungen durchgedrückt haben. In einem eigenen Gesetzentwurf (Take Responsibility for Workers and Families Act) hatten sie noch weitreichendere Forderungen. Dazu gehörte u.a. ein Mindestlohn von 15 US-Dollar für alle Unternehmen, die in der Krise öffentlich finanzierte Unterstützung erhalten, und eine Wahlrechtsreform, um Briefwahl bei einem Notstand landesweit möglich zu machen. Diese konnten sie aber nicht durchsetzen.

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