08.02.2022

KNUTS LOGBUCH | Der Supreme Court – Was ist da los am höchsten Gericht?

Eines von Joe Bidens Wahlversprechen war, dass er eine afroamerikanische Juristin -und somit die erste afroamerikanische Frau- für den Supreme Court nominieren werde. Sein Versprechen will er einhalten und stößt damit auf breite Zustimmung. Dennoch erhält er vor allem aus dem rechten Lager der Republikanischen Partei viel Kritik.

Der Februar ist in den USA Black History Month, also der Monat, der die Beiträge von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern würdigt, die dieses Land mitgestaltet haben. Er dient auch der Erinnerung an das Erbe der Sklaverei und verdeutlicht, dass sich die Gründung der Vereinigten Staaten nicht getrennt von der Sklaverei betrachten lässt. Aber warum Februar?  Im Februar wurde Präsident Abraham Lincoln geboren, der maßgeblich an der Emanzipation der Sklaven beteiligt war. Im Februar wurde aber auch Frederick Douglass geboren, selbst ein ehemaliger Sklave und später prominenter Führer der Abolitionisten-Bewegung, die für die Abschaffung der Sklaverei kämpfte.

Präsident Biden hat gerade aus diesem Grund angekündigt, noch in diesem Monat eine Afroamerikanerin zu nominieren, die den freiwerdenden Sitz im höchsten Gericht des Landes, dem Supreme Court, übernehmen soll. Sie wäre die erste Frau afroamerikanischer Abstammung, der diese auf Lebenszeit geltende Rolle zu Teil werden würde. Einerseits bejubelt, gibt es auch Stimmen, die Joe Bidens Vorhaben kritisieren. Schauen wir uns das gemeinsam an.

Stephen Breyer ist seit 1994 Richter am Obersten Gerichtshof der USA. Letzte Woche kündigte der 83jährige unerwartet an, dass er sich im Juni 2022 aus dem Amt zurückziehen wolle.  Als er von Bill Clinton 1994 nominiert wurde, sprachen sich mehr als 90 Prozent der Senatorinnen und Senatoren für ihn aus. Der Senat muss die Nominierung für dieses Richteramt per Abstimmung bestätigen. Damit stimmten auch 79 Prozent der Republikaner für ihn. Er war der letzte Supreme Court Richter, der eine breite parteiübergreifender Unterstützung erhielt. Seine Bestätigung markierte aber auch das Ende einer Ära.

Die Rolle des US-Senats

So erhielten alle drei Kandidaten für den Obersten Gerichtshof, die der ehemalige Präsident Donald Trump nominieren konnte, kaum bzw. gar keine parteiübergreifende Unterstützung:

  • Neil Gorsuch erhielt 2017 nur zwei Ja-Stimmen der Demokraten,
  • Brett Kavanaugh im Oktober 2018 eine und
  • Amy Coney Barrett im Oktober 2020 keine.

Die fehlende Demokratische Unterstützung für Barrett war das erste Mal seit 1869, dass ein Kandidat für den Obersten Gerichtshof nicht eine einzige Stimme der nicht nominierenden Partei erhielt.

 

Die Rolle des US-Präsidenten

Eines der Wahlkampfversprechen von Joe Biden war, dass er als Präsident eine Afroamerikanerin für den Supreme Court nominieren würde, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Nun ist sie da, die Gelegenheit und nicht jeder jubelt dieser Entscheidung entgegen. Vor allem die alarmierte Reaktion der Rechten offenbart hier einmal mehr ihre komplette Blockadehaltung gegenüber allem, was die Demokraten oder Joe Biden erreichen wollen. Sie muss sich auch den Vorwurf des Rassismus gefallen lassen.

Die Ankündigung sei "beleidigend", spielt sich z.B. der texanische Senator Ted Cruz in einem TV-Interview auf. Wobei er darauf pochte, dass gerade einmal 6% aller US-Bürgerinnen und Bürger afroamerikanische Frauen seien. Der kategorische Ausschluss aller anderen qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten sei diskriminierend. Der Senator von Mississippi, Roger Wicker, spricht gar von Affirmative Action: Nicht die bestqualifizierte Person werde nominiert, sondern jemand, der durch eine Fördermaßnahme für benachteiligte Bevölkerungsgruppen bevorzugt werde. Nur sehr wenige Republikanische Senatoren, einer davon Lindsey Graham, sprechen sich für eine der Kandidatinnen aus, die auf Bidens Shortlist steht: Julianna Michelle Childs, eine US-Richterin am US-Bezirksgericht von South Carolina. Graham äußerte auch Verständnis, dass Biden ein Wahlversprechen einlösen wolle.

Die Rechten, oder besser, der rechte Rand weiß natürlich um die verqueren Aussagen, die sie hier produzieren. Aber es ist ein Wahljahr und da gilt es hierzulande Konflikt zu schüren. Dabei sind selbst US-Senatoren teilweise alle Mittel recht.

Denn schauen wir uns doch den Supreme Court einmal an. In den 232 Jahren seines Bestehens wurden 115 Personen an das Oberste Gericht berufen – 108 von ihnen waren weiße Männer. Und mit Sandra Day O'Connor wurde erst 1981 die erste Frau als Richterin am Supreme Court bestätigt. Nach ihr folgten bis heute vier weitere Frauen: Ruth Bader Ginsburg, Sonia Sotomayor, Elena Kagan und Amy Coney Barrett.

Die negativen Reaktionen mancher Republikaner sind völlig überzogen. Die konservative Mehrheit am Obersten Gericht ist nicht in Gefahr, auch mit diesem Wechsel steht sie bei 6 zu 3. Ihre Motivation, hier derart negativ zu agieren, hat andere Ursachen:  Nicht zuletzt ist die Republikanische Partei auch die Partei der überwiegend weißen US-Bevölkerung und da existiert nach wie vor ein schwelendes Ressentiment gegenüber Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern.

Präsiden Biden hat verstanden, dass die traditionelle Dominanz des weißen Mannes aus einem diskriminierenden System heraus gewachsen ist, und dass es an der Zeit ist, dieses System abzuschaffen. Die erste Afroamerikanerin am Obersten Gericht wird dazu beitragen, das politische, soziale und kulturelle Bild Amerikas auf höchster Ebene neu zu definieren. Es ist ein wichtiger Schritt für den Heilungsprozess der angeschlagenen Demokratie. Die Liste der möglichen Nominierungen durch Präsident Biden ist mittlerweile auf über 12 sehr qualifizierte Afroamerikanerinnen angestiegen. Hoch gehandelt werden derzeit die folgenden drei:

  • Michelle Childs, die erwähnte Richterin am US-Bezirksgericht in South Carolina.
  • Eine Richterin am Obersten Gerichtshof von Kalifornien, Leondra Kruger
  • Und die DC-Bezirksrichterin Ketanji Brown Jackson.

Nun steht uns das mögliche Szenario bevor, dass der Senat einen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof mit einer 50:50-Abstimmung bestätigt, wobei die Vizepräsidentin die 51. Stimme wäre. Das kann mit Bidens Nominierung passieren oder auch nicht, aber es ist aufgrund der polarisierten Zeiten, in denen sich dieses Land befindet, eben durchaus möglich.  Es ist die neue Realität, fast schon Normalität, wo knappe, meist an den Parteilinien orientierte Entscheidungen überwiegen und davor bleibt auch der Supreme Court nicht verschont.

Bis Ende des Monats will Joe Biden seine Entscheidung bekanntgeben. Nach seinen sinkenden Umfragewerten kann er mit dieser Nominierung einen wichtigen politischen Sieg verbuchen. Dieser wäre auch wichtig, um die Demokratische Wählerbasis vor den Zwischenwahlen im November zu mobilisieren.

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