03.11.2020

LOGBUCH: Wie verfolge ich die Wahl? Tipps aus Washington!

Jetzt wird es spannend: nur noch ein paar Stunden bis zu den ersten Hochrechnungen der #USWahl. Wie ihr den #Wahlabend am besten aus Deutschland verfolgt, erklärt euch Knut Dethlefsen, live aus #Washington, D.C.

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DIE WAHLNACHT IN DEN USA - WORAUF MUSS ICH ACHTEN!

Es ist so weit. Heute gehen die US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner wählen, 233 Millionen sind wahlberechtigt. Die Option ihre Stimme früher abzugeben, also per Brief oder persönlich, haben bis gestern Abend bereits 100 Millionen Menschen wahrgenommen.

Florida, einer der Swing States, wird Ergebnisse früher mitteilen können als andere Bundesstaaten. Dasselbe gilt für North Carolina. In Pennsylvania hingegen könnte es bis Freitag dauern, vielleicht sogar länger. Auch in Michigan könnte das Ergebnis erst in einigen Tagen feststehen.

Warum diese Abweichung?

Jeder Bundesstaat hat seine eigenen Wahlgesetze und legt fest, ab und bis wann z.B. Briefwahlunterlagen gezählt werden dürfen. Einige Bundesstaaten, wie Florida, haben lange Erfahrung mit der Briefwahl. Andere Staaten haben mit Briefwahl wenig Erfahrung. Aber dieses Jahr kam die Pandemie dazu und damit eine Flut an Briefwählern. Aber lasst uns einen Blick auf den heutigen Wahlabend werfen und vor allem auf die Faktoren und Staaten, die ihr besonders im Blick haben solltet, um die Stimmung vor der Bekanntgabe des Ergebnisses einzufangen.

EXIT POLLS - DIE NACHWAHLBEFRAGUNG

Vor 18 Uhr (in Deutschland also vor Mitternacht) beginnen die wichtigen Fernsehanstalten -CNN, NBS, FOX- mit der Bekanntgabe der Ergebnisse der frühesten Nachwahlbefragungen. Dies ermöglicht einen ersten Eindruck davon zu bekommen, welche Wählergruppen wie gewählt haben.

2016 lag Trump bei der Nachwahlbefragung schon vier 4 Punkte vorn. Er gewann die Wähler 65 Jahre und älter mit 7 Punkten. Bei den pateilosen lag er 4 Punkte und bei den weißen Wählern mit College-Abschluss 3 Punkte vorn. Er gewann diese Gruppen und doch verlor er die Gesamtstimmenabgabe um mehr als 3 Millionen Stimmen. Sollte Joe Biden in diesen Kategorien den Vorsprung verringern oder sogar gewinnen, könnte dies ein frühes Zeichen für einen Sieg Bidens sein. Andere wichtige Gruppen, die Trump 2016 haushoch gewonnen hatte, sollten dennoch ebenfalls im Blick sein, um zu erkennen, ob Biden hier Zugewinne schafft: Weiße Frauen (Trump +9), Weiße ohne Hochschulbildung (Trump +37), Wähler mit Militärdienst (Trump +27).

Letztlich spielt bei den Nachwahlumfragen nicht nur eine Rolle, welche Gruppe wählt, sondern wie stark die jeweilige Gruppe zur Wahl angetreten ist. Das gilt besonders bei den Gruppen der Jungwähler_innen, Wählerinnen und Erstwähler_innen. 2016 gingen 19% der unter 30jährigen, 53% der Frauen und nur 10% der Erstwähler zur Wahl.

UM 18 UHR SCHLIESSEN DIE WAHLLOKALE AN DER OSTKÜSTE DER USA

Ab jetzt heißt es "Too Early to Call" (zu früh) oder "Too Close to Call" (zu eng), um einen Bundesstaat (oder auch nur einzelne Bezirke) an einen der beiden Kandidaten zu vergeben.

"Too Early to Call" bedeutet in der Regel, dass ein Staat wahrscheinlich in die erwartete Richtung geht z.B. New York an den Demokraten oder Mississippi an den Republikaner, aber die Daten sind noch zu unzureichend, um den Gewinner mit Gewissheit zu verkünden. Also, zu früh zum Ausrufen des Gewinners! Heute wird es wahrscheinlich viele "Too early to call"-Bundesstaaten geben, was u.a. an der enormen Anzahl der Briefwähler_innen liegt, deren Stimmen in vielen Bundesstaaten erst ab heute oder ab morgen ausgezählt werden.

Wenn es jedoch eine Reihe von Staaten gibt, die als "too close to call" also als zu dicht ausgerufen werden, sind das eventuell schlechte Nachrichten für einen der beiden Kandidaten. Das gilt besonders für Joe Biden, der in vielen der so genannten Battleground States (also den umkämpften Bundesstaaten) in den Umfragen vorne liegt. Sollten es bei diesen Bundesstaaten nun stundenlang "too Close to call" heißen, dann ist das ein schlechtes Zeichen, denn genau so bahnte sich die Niederlage Clintons an.

7:00 PM (EST) - 1:00 Uhr Nachts (MET)

Florida! Florida! Florida!

Die Wahllokale schließen hier um 1 Uhr deutscher Zeit. Trump gewann Florida 2016 mit knappen 1,2%. Florida hatte in diesem Jahr eine große Zahl von Briefwählern (inkl. Donald Trump) und beginnt früher als jeder andere Bundesstaat mit der Auszählung der Briefwahlstimmen, nämlich heute vor 22 Tagen. D.h. wenn Biden oder Trump hier einen großen Vorsprung haben, könnte die Nacht schnell zu Ende sein, wenn nicht, dann wird es jetzt Zeit für den ersten Kaffee.

7:30 PM (EST) - 1:30 Uhr Nachts (MET)

North Carolina!

Die Wahllokale schließen hier um 1:30 Uhr deutscher Zeit. Auch hier sind die Briefwahlstimmen bereits seit zwei Wochen im Auszählungsprozess. Allerdings erlaubt NC auch noch Stimmeneingänge per Brief bis Freitag. Sollte es knapp werden, wird es auf jede Stimme ankommen und entsprechend dauern.

Interessant ist hier auch das Senatsrennen, bei dem Amtsinhaber Thom Tillis (R) von dem Demokraten Cal Cunningham herausgefordert wird. Und schließlich steht der populäre demokratische Gouverneur von North Carolina, Roy Cooper, auf dem Wahlzettel zur Wiederwahl, und seine Beliebtheit könnte Biden helfen.

Sollte Joe Biden weder Florida noch North Carolina gewinnen, geht der Fokus auf Arizona und die großen Industriestaaten, die Trump 2016 geworden hat - Pennsylvania, Wisconsin und Michigan. In Wisconsin könnten die Ergebnisse bereits am frühen Mittwochmorgen bekannt sein, aber die anderen drei Staaten werden länger brauchen.

8:00 PM (EST) - 2:00 Uhr Nachts (MET)

Maine!

Die Wahllokale schließen hier um 2:00 Uhr deutscher Zeit. Maine gehört zu den wenigen Bundesstaaten, der zwei seiner vier Wahlstimmen an den landesweiten Gewinner vergibt und die anderen beiden Wahlstimmen an den Kandidaten, der in den zwei Kongressbezirken gewonnen hat.

Joe Biden könnte diese vier Stimmen einfahren, denn er könnte von der ungewöhnlich hohen Beliebtheit des Kongressabgeordneten und Demokraten Jared Golden profitieren, der in den Umfragen 25 % vor seinem republikanischen Rivalen liegt.

North - und South Dakota!

Donald Trump gewann diese Staaten mit deutlichen 35 und 30% Vorsprung. Doch momentan wütet die COVID-Pandemie hier am schlimmsten und sie könnte somit ein Referendum für Trumps schlechten Umgang mit der Pandemie bedeutet. Gewinnen wird er diese Staaten trotzdem, die Frage ist, mit was für einem Vorsprung.

DER WEG ZU 270 STIMMEN - ZWEI GEDANKENSPIELE

Donald Trumps einziger Weg zum Sieg:

Am Ende ist das Ziel 270 Stimmen des Wahlkollegiums zu erreichen. Für Trump gibt es nur einen einzigen Weg, das Weiße Haus zu halten. Um sein Konto zu füllen, schieben wir Trump zunächst die 125 Wahlfrauen- und Wahlmännerstimmen der Bundesstaaten zu, die fest in Republikanischer Hand sind.

Dazu die Swing States, die traditionell Republikaner bevorzugen: Texas (38 Wahlstimmen), Georgia (16), Ohio (18) und Arizona (11). 208 Wahlstimmen.

Seit fast einem Jahrhundert hat kein Republikaner ohne Florida die Präsidentschaft gewonnen, also hier geben wir Trump 29 Stimmen. 237 Wahlstimmen.

Dazu gesellen sich -weil er auch sie 2016 gewonnen hat- Iowa (6) und North Carolina (15). 258 Wahlstimmen.

An diesem Punkt würde alles auf Pennsylvania hinauslaufen, wo Trump in den Umfragen zwar hinten liegt, aber nur sehr knapp. 278 Wahlstimmen. 

Ist es möglich? - Ja! Ist es wahrscheinlich? - Nein!

 

Für Joe Biden führen viele Wege ins Weiße Haus

Joe Biden kann dagegen bei 203 Wahlfrauen- und Wahlmännerstimmen anfangen zu zählen, um auf die 270 Stimmen zu kommen, die er im Wahlkollegium für die Mehrheit braucht.

Dazu addieren wir Nevada (6 Stimmen) und Colorado (9), wo die demographische Entwicklung stark gen Demokraten geht. 218 Wahlstimmen.

Dazu kommen nun die traditionellen demokratischen Bundesstaaten im Mittleren Westen - Minnesota (10 Stimmen), Michigan (16) und Wisconsin (10) Auch wenn Trump 2016 Wisconsin und Michigan gewann, deuten heute keine Daten darauf, dass sich das wiederholen könnte. 254 Wahlstimmen.

Womit wir bei Pennsylvania mit seinen 20 Wahlstimmen wären. Wenn Biden den Staat gewinnt, in dem er geboren wurde, sind das 274 Wahlstimmen und damit sein Einzug ins Weiße Haus. Dieses Gedankenspiel würde Biden zum Sieger machen, auch wenn er Florida, Georgia, Texas, Arizona, Iowa und Ohio verliert. Aber, viele Wege führen nach Rom - und mindestens genauso viele ins Weiße Haus.

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